
CBD-Öl im Einsatz bei Epilepsie
Sehr interessante Studie zu CBD Öl - bietet einen sehr umfassenden Überblick über:
✅ Wirkmechanismen von CBD (u. a. CB1/CB2, TRPV1-4, GPR55, Calciumkanäle)
✅ Wechselwirkungen, v. a. mit Clobazam und Stiripentol (CYP2C19-Hemmung)
✅ Effektivität in verschiedenen Epilepsiesyndromen (v. a. Lennox-Gastaut-Syndrom, Dravet-Syndrom, tuberöse Sklerose)
✅ Zusammenfassung aus 13 Metaanalysen (225 RCTs, >17.400 Patienten)
✅ Nebenwirkungen (v. a. Diarrhoe, Somnolenz, Appetitminderung, Leberwerterhöhung)
Titel: CBD in the Treatment of Epilepsy
Autoren: Kinga Borowicz-Reutt, Julia Czernia, Marlena Krawczyk
Journal: Molecules, 2024, Band 29, Artikel 1981
DOI: https://doi.org/10.3390/molecules29091981
Am Ende des Artikels ordne ich die Anwendung von CBD nochmal in der Tiermedizin ein, aber "Bottom Line Up Front (BLUF!)": CBD bitte immer unter therapeutischer Anleitung beim Tier einsetzen, und NIE bei der Katze.
Wirkmechanismus
CBD (Cannabidiol) wirkt nicht primär über klassische Cannabinoid-Rezeptoren (CB1, CB2), da es dort nur eine geringe Bindungsaffinität hat. Stattdessen beeinflusst es eine Vielzahl neuronaler Systeme:
- GPR55-Antagonist: GPR55 (G-Protein-gekoppelter Rezeptor 55) wird durch LPI (Lysophosphatidylinositol) aktiviert, was zur vermehrten intrazellulären Calciumfreisetzung führt und epileptische Entladungen begünstigt. CBD blockiert GPR55 und unterbricht diesen Kreislauf.
- TRP-Kanäle (Transient Receptor Potential): CBD wirkt agonistisch (aktivierend) auf TRPA1 und TRPV1-4, die eine Rolle bei neuronaler Erregbarkeit und Schmerzmodulation spielen.
- Spannungsgesteuerte Calciumkanäle: CBD blockiert die T-Typ-Kanäle (Cav3.1–3.3) und senkt dadurch die neuronale Erregbarkeit.
- GABA- und Glycinrezeptoren: CBD wirkt positiv allosterisch auf GABA<sub>A</sub>- und Glycinrezeptoren und fördert somit inhibitorische (hemmende) Neurotransmission.
- 5-HT-System: CBD wirkt u. a. als partialer Agonist am 5-HT<sub>1A</sub>-Rezeptor und hemmt 5-HT<sub>3</sub>-Kanäle, was antikonvulsiv und anxiolytisch (angstlösend) wirken kann.
- PPARγ-Agonismus: Über diesen nukleären Rezeptor hemmt CBD entzündliche Zytokine, was für neuroprotektive Effekte spricht.
Fazit: Die antiepileptische Wirkung von CBD beruht auf einem multimodalen Wirkprinzip, bei dem es zu einer Reduktion neuronaler Übererregbarkeit und Entzündungsaktivität kommt.
Pharmakokinetische Wechselwirkungen
Besonders wichtig ist die Interaktion mit Clobazam, einem häufig eingesetzten Benzodiazepin bei kindlichen Epilepsien:
- CBD hemmt CYP2C19, was die Plasmaspiegel von N-Desmethylclobazam (N-CLB), dem aktiven Metaboliten, etwa verdreifacht → verstärkte Wirkung und Sedierung.
- Clobazam hemmt CYP2D6, was den Spiegel des aktiven CBD-Metaboliten 7-Hydroxy-CBD um etwa 50 % erhöht.
- Stiripentol, ein weiterer Antiepileptiker, blockiert CYP2C19 bereits vollständig – eine zusätzliche Hemmung durch CBD bleibt ohne Effekt → N-CLB-Spiegel steigen dann nicht weiter.
Klinische Relevanz: Diese Wechselwirkungen können therapeutisch nützlich sein (Synergieeffekt), aber auch zu vermehrter Sedierung oder Lebertoxizität führen.
Wirksamkeit von CBD bei Epilepsie
Die Studienlage ist sehr umfangreich: 13 Metaanalysen mit 225 randomiserten Kontrollstudien und über 17.400 Patienten wurden zusammengefasst.
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Indikationen mit erprobter CBD-Therapie:
- Dravet-Syndrom (DS, früh beginnende schwere Epilepsie mit Fieberanfällen und Entwicklungsstörungen),
- Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS, schwer behandelbare Epilepsie im Kindesalter mit verschiedenen Anfallsarten und geistiger Beeinträchtigung),
- Tuberöse Sklerose (TSC, genetische Erkrankung mit Tumoren in Organen und häufig schwerer Epilepsie).
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Weitere Epilepsieformen mit positiver Evidenz:
- CDKL5-Mangel (schwere genetische Entwicklungsstörung mit früh einsetzender Epilepsie),
- SYNGAP1-Enzephalopathie (genetisch bedingte Hirnreifungsstörung mit Epilepsie),
- myoklonische Absencen (kurze Bewusstseinsaussetzer mit Muskelzuckungen),
- Aicardi-Syndrom (seltene, meist bei Mädchen auftretende Hirnfehlbildung mit Epilepsie),
- Dup15q-Syndrom (Chromosomenveränderung mit Entwicklungsstörung und Epilepsie)
- Doose-Syndrom (frühkindliche Epilepsie mit Muskelzuckungen und Sturzanfällen).
Ergebnisse der Metaanalysen:
- CBD reduziert Anfallshäufigkeit signifikant und dosisabhängig (v. a. bei 20 mg/kg/Tag)
- Besonders wirksam bei tonischen, atonischen und tonisch-klonischen Anfällen
- Bei Zusatztherapie mit Clobazam deutlich höhere Responderrate
- Verbesserung auch im Allgemeinzustand, Verhalten, EEG-Bild und Lebensqualität beobachtet
Nebenwirkungen und Sicherheit
Häufige Nebenwirkungen (dosisabhängig):
- Somnolenz (Schläfrigkeit), v. a. bei Clobazam-Kombination
- Appetitverlust & Gewichtsabnahme
- Diarrhoe, möglicherweise auch durch Trägeröl (Sesamöl)
- Transaminasenerhöhung (v. a. in Kombination mit Valproinsäure)
- Thrombozytopenie, bei gleichzeitiger Gabe von CBD und Valproat in ca. 10 %
Schwere Nebenwirkungen in absoluten Einzelfällen (sehr selten):
- Pneumonie, Sedation, Leberfunktionsstörung – meist bei Kombinationstherapie
- Nebenwirkungen waren reversibel durch Dosisreduktion oder Pausieren
Fazit: CBD ist gut verträglich, vor allem bei Monotherapie oder niedriger Dosierung. Wichtig ist die kontrollierte Titration und Überwachung der Leberwerte bei Kombinationsbehandlung.
Veterinärmedizin: Zusätzliche Details zum Leberstoffwechsel & Folgerungen für den Einsatz beim Tier
CBD beeinflusst maßgeblich den hepatischen Metabolismus (Leberstoffwechsel), insbesondere durch Hemmung wichtiger Cytochrom-P450-Enzyme (CYP-Enzyme). Diese Enzyme gehören zu einem der zentralen Abbauwege für viele körpereigene und körperfremde Substanzen, einschließlich Medikamente.
Vor allem relevant sind hier:
- CYP2C19 → stark gehemmt durch CBD → Anstieg aktiver Metaboliten von Clobazam (z. B. N-Desmethylclobazam)
- CYP3A4 → ebenfalls gehemmt → zentrale Rolle beim Abbau vieler Arzneistoffe
Diese Hemmung führt dazu, dass Medikamente, die über diesen Weg abgebaut werden, langsamer eliminiert werden. Die Folge: erhöhte Plasmaspiegel, potenziell bis zu toxischen Konzentrationen.
Besondere Bedeutung hat dies für die Tiermedizin:
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Katze:
Katzen haben eine stark eingeschränkte Glukuronidierungsfähigkeit (Phase-II-Metabolismus). Sie können viele Substanzen (z. B. Paracetamol, Diazepam) nicht effektiv entgiften, weil ihnen bestimmte UDP-Glucuronosyltransferasen fehlen.
→ Die zusätzliche Hemmung des CYP-Systems durch CBD macht Katzen besonders vulnerabel und stellt aus pharmakologischer Sicht ein Kontraindikationskriterium für CBD-Öl dar.
→ Hier ist große Vorsicht geboten, und CBD sollte bei Katzen nur in extrem begründeten Ausnahmefällen und unter engmaschiger Kontrolle eingesetzt werden. -
Hund und Pferd:
Beide Spezies haben eine funktionierende Glukuronidierungsphase, doch gilt:
→ Läuft eine Medikation über CYP2C19- oder CYP3A4-abhängige Stoffwechselwege, kann es bei gleichzeitiger Gabe von CBD zu erhöhten Medikamentenspiegeln im Blut kommen.
→ Praktische Folge: Es muss geprüft werden, ob Dosisanpassungen (z. B. Reduktionen) notwendig sind, und eine regelmäßige klinische und ggf. labordiagnostische Überwachung ist anzuraten.
Beispiele potenziell betroffener Medikamente in der Tiermedizin:
- Antiepileptika (z. B. Phenobarbital, Diazepam)
- NSAIDs (z. B. Meloxicam, Carprofen)
- Kortikosteroide (z. B. Prednisolon)
- Makrolidantibiotika (z. B. Erythromycin)
- Herz- und Nierenmedikamente
Bedeutung von CBD-Öl in der Tiermedizin (insbesondere Hund, Epilepsie)
CBD-Öl hat in der Tiermedizin, insbesondere bei Hunden mit therapieresistenter Epilepsie, Viel Potential. Die Studien (und klinische Erfahrungen) zeigen, dass CBD die Anfallshäufigkeit deutlich senken und die Lebensqualität verbessern kann – gerade dann, wenn konventionelle Antiepileptika nicht ausreichend wirken oder zu starke Nebenwirkungen verursachen. Eine entsprechende Studie findet sich hier (ich plane eine separate Auswwertung): The efficacy and safety of cannabidiol as adjunct treatment for drug-resistant idiopathic epilepsy in 51 dogs: A double-blinded crossover study.
Gleichzeitig erfordert der Einsatz von CBD größte Sorgfalt: Aufgrund der komplexen pharmakokinetischen Eigenschaften, der Hemmung wichtiger Leberenzym-Systeme und der möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten darf CBD niemals unkontrolliert oder in Eigenregie verabreicht werden. Eine therapeutische Anleitung durch Tierheilpraktiker oder Tierarzt ist unerlässlich, um Dosierung, Einschleichschema, Monitoring und eventuelle Medikamentenanpassungen optimal zu steuern. Besonders bei Katzen ist äußerste Zurückhaltung geboten, da ihre eingeschränkte Glukuronidierungsfähigkeit CBD zu einem potenziell gefährlichen Stoff macht.
Zusammengefasst gilt: CBD bietet in der Tiermedizin ein hohes therapeutisches Potenzial, aber seine Anwendung gehört ausschließlich in fachkundige Hände.