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Pilzsprechstunde: Selen, Cushing und Vitalpilze – Eine Analyse anhand eines Praxisfalls

Kundenanfrage: Können die Pilze für einen erhöhten Selenwert verantwortlich sein?

Eine Pferdehalterin berichtete, dass ihr Tier seit einigen Wochen Vitalpilze erhält. Sie stellte jedoch fest, dass ihr Pferd ungewöhnlich energielos wirkte und bereits nach kurzen, leichten Trainingseinheiten stark ermüdete. Bei einer erneuten Blutuntersuchung zeigte sich ein unerwartet hoher Selenwert. 

Da die Hauptfutterration keine offensichtlichen Selenquellen enthielt, stellte sich die Frage, ob die Vitalpilze in Kombination mit einem Mineralfutter diesen Anstieg verursacht haben könnten. Zudem zeigte sich, dass der ACTH-Wert des Pferdes trotz der Gabe von Cordyceps nicht signifikant gesunken war.

 

Analyse der Fragestellung

Diese Kundenanfrage warf zwei zentrale Fragen auf:

  • Kann die Supplementierung mit Vitalpilzen den Selenwert im Blut signifikant beeinflussen?
  • Warum war der ACTH-Wert bei PPID (Cushing) nicht gesunken, obwohl Cordyceps gefüttert wurde?

Um diese Fragen zu beantworten, war es zunächst notwendig, die relevanten Selengehalte zu berechnen und die Biochemie hinter diesen Fragen zu überprüfen. Abschließend schildere ich meine Empfehlung an die Tierbesitzerin.

 

Berechnung der täglichen Selenaufnahme

  • Selenaufnahme aus Pilzen:
    • Reishi (4,5 g): 0,045 mg
    • Polyporus (4,5 g): 0,045 mg
    • Cordyceps (4,5 g): 0,045 mg
    • Quelle für Selengehalte der Pilze: "Mykotherapie für Tiere", basierend auf maximalen Annahmen für Reishi, Polyporus und Cordyceps als Maximum mit je 0,01 mg/g Selen.
  • Selenaufnahme aus Mineralfutter (55 g): 0,660 mg
  • Gesamtaufnahme: 0,795 mg

Die empfohlene tägliche Selenaufnahme für ein 500 kg schweres Pferd wurde anhand des metabolischen Körpergewichts (MBW) berechnet:

  • MBW (kg⁰·⁷⁵): 105,74
  • Min. Bedarf (0,01 mg/kg MBW): 1,057 mg
  • Max. Bedarf (0,015 mg/kg MBW): 1,586 mg
  • Gesamtaufnahme aus Pilzen & Mineralfutter: 0,795 mg
  • Differenz zum minimalen Bedarf: -0,262 mg
  • Differenz zum maximalen Bedarf: -0,791 mg
  • Quelle für den Selenbedarf: Coenen, M. & Vervuert, I. (2009). Pferdefütterung. Enke Verlag.

Schlussfolgerung:

  • Die Pilze trugen nur 0,135 mg Selen/Tag bei, was 17 % der Gesamtaufnahme ausmachte.
  • Das Mineralfutter lieferte mit 0,660 mg/Tag ~83 % der gesamten Selenaufnahme.
  • Die Gesamtaufnahme von 0,795 mg lag unterhalb des minimalen täglichen Bedarfs (1,057 mg) und war weit entfernt von toxischen Werten.

Ein Selenüberschuss durch die Pilze war somit extrem unwahrscheinlich.

Randbemerkung: Polyporus als natürliches Diuretikum könnte meiner Meinung nach sogar die Harnausscheidung von Selen leicht erhöhen, statt es zu akkumulieren.

 

Zur Rolle von Cordyceps bei Cushing (PPID)

Die Kundin hatte berichtet, dass der ACTH-Wert nicht gesunken war, obwohl Cordyceps supplementiert wurde. Ich ordnete dies wie folgt ein:

  • PPID (Cushing) entsteht durch eine Fehlsteuerung der Hypophyse, oft durch ein Adenom im Pars intermedia der Hirnanhangsdrüse.
  • Cordyceps beeinflusst nicht direkt die ACTH-Sekretion, das Problem ist primär neuroendokrin und entsteht im Gehirn, der Wirkmechanismus von Cordyceps ist anders.

Warum wird Cordyceps dennoch empfohlen?

  • Verbesserung der mitochondrialen Energieproduktion (ATP) → kann Müdigkeit reduzieren.
  • Unterstützung der Nebennierenfunktion  & Regulierung des Hormonhaushalts→ hilft bei sekundären Effekten der veränderten Cortisolregulation.
  • Modulation des Immunsystems → PPID-Pferde sind anfälliger für Infektionen.

Es ist wichtig, sich folgendes zu vergegenwärtigen: Cordyceps kann den allgemeinen Stoffwechsel positiv beeinflussen, aber keine direkte Senkung von ACTH bewirken.

 

Empfehlung: Absetzen und Ursachenklärung

Aufgrund der anhaltenden Lethargie empfahl ich, alle Supplemente (Pilze & Mineralfutter) für mindestens 3–4 Wochen abzusetzen, um eine klare Differenzierung der Ursachen zu ermöglichen.

Gründe für das Absetzen:

  • Die Lethargie war ein Alarmsignal, das einer genauen Abklärung bedurfte.
  • Obwohl die Pilze keine wahrscheinliche Ursache für den erhöhten Selenwert waren, wollte ich keine Möglichkeit ausschließen.
  • Nach 3–4 Wochen sollte eine erneute Blutkontrolle erfolgen, um zu prüfen, ob der Selenwert sank.
  • Falls sich das Pferd in dieser Zeit erholte, könnten wir die Pilze später vorsichtig wieder einschleichen.

 

Fazit: 

  • Die Pilze waren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für den Selenanstieg verantwortlich.
  • Cordyceps kann bei PPID unterstützen, weil der Pilz die Nebenniere & das Hormonsystem reguliert, aber nicht grundsätzlich den ACTH Spiegel senkt oder ein Adenom zurückbildet.
  • Ein Absetzen aller Supplemente war eine sinnvolle, einfache und praxisnahe Maßnahme zur Ursachenklärung.
  • Eine erneute Blutkontrolle liefert objektive Erkenntnisse.

Diese Fallanalyse zeigte, wie wichtig es war, sich auf präzise Berechnungen, wissenschaftliche Logik und klinische Beobachtung zu stützen und im Dialog zu bleiben, um Ursachen zu klären. Zum Wohle des Tieres!

 

Hinweis des Autors

Die Inhalte dieser Website dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine medizinsche Anweisung dar.

Die Inhalte dieser Webseite ersetzen keine (tier-)ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung, keinen Vor-Ort Besuch des Therapeuten und sind auch nicht damit zu verwechseln.

Vitalpilze können eine hervorragende Flankierung laufender Therapien sein und sind potente Mykotherapeutika! 

Aber: das Befolgen von Empfehlungen erfolgt auf eigene Gefahr und in eigener Verantwortung.

Gerade deshalb: Informiere Deinen Therapeuten bitte unbedingt über die geplante Einnahme von Vitalpilzen.

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